Akihabara


Ohne Zweifel ist Akihabara einer der bekanntesten und populärsten Stadtteile in Tokio, sowohl bei Touristen als auch bei Einheimischen. Von den Japanern als Electric Town bezeichnet, beheimatet Akihabara zahllose Geschäfte für neue und gebrauchte Elektrogeräten und Zubehör. Diese Entwicklung begann nach dem zweiten Weltkrieg, als in Akihabara Elektronenröhren und Bauteile für Radios gehandelt wurden. Angeblich gab es für diese Waren dort einen blühenden Schwarzmarkt.

Weltweit bekannt wurde Akihabara als ein Zentrum der japanischen Popkultur und als ein Treffpunkt von Anime- und Manga-Fans, den so genannten Otaku. Sie finden in diesem Stadtteil Geschäfte für alles, was ihr Herz begehrt. Über Spielzeug und Comics, bis hin zu Filmen und Sammelkarten, gibt es ein gigantisches Angebot. Andere Läden verkaufen Cosplay-Zubehör, Computerspiele, Süssigkeiten oder Modellbausätze. Geld ausgeben kann außerdem in den zahlreichen Spielhallen und Maid-Cafes. Am Ende des Tages wandern dann die letzten Münzen in einen der unzähligen Gatchpon-Automaten oder in die UFO-Catcher (Greifautomaten).

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Akihabara bei Nacht

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Am Sonntagnachmittag ist die Chuo Dori Straße für den Verkehr gesperrt

Besonders lohnenswert kann ein Besuch in Akihabara für Sammler sein, denn es gibt viele Geschäfte, die ausschließlich gebrauchte Waren anbieten. Das betrifft die zuvor erwähnten Elektrogeräte, aber auch Computerspiele und Gegenstände der aktuellen und vergangenen Popkultur, gibt es aus zweiter Hand. Überrascht musste ich feststellen, dass es sogar Läden gibt, die ausschließlich Sammelkarten verkaufen. Bei Preisen von umgerechnet mehreren hundert Euro für manche Karten, scheint es ein funktionierendes Geschäftsmodell sein. Einige Ladenlokale bestehen fasst ausschließlich aus Vitrinen, in denen private Anbieter einen Platz anmieten können, um ihre Waren zum Verkauf anzubieten. Die Verkaufsabwicklung übernimmt der Ladenbesitzer, vermutlich für eine angemessene Provision. Eine Suche durch alle Vitrinen kann mühevoll und zeitraubend sein, aber es besteht immer die Chance, etwas Seltenes oder Kurioses zu finden. In den meisten Vitrinen werden Figuren und anderes Spielzeug angeboten, aber auch einen Stapel CDs haben wir gesehen.

Selbst leidenschaftlichen Okakus wird es nicht gelingen, in nur wenigen Tagen alle Läden in Akihabara zu besuchen. Wir haben es probiert und sind gescheitert. Die große Anzahl an Geschäften und angebotenen Artikel ist nicht zu bewältigen und um die Aufgabe noch komplizierter zu machen, verbergen sich einige kleine Ladenlokale an Orten, an denen sie ein Unwissender nicht erwartet. Beispielsweise unter Brücken oder in den oberen Etagen von unscheinbaren Gebäuden. Für einen Besuch in Akihabara ergeben sich daher nur wenige Alternativen. Entweder stürzt man sich planlos ins Getümmel oder geht gezielt in die Geschäfte, die man besuchen will. Bei unserem ersten Besuch waren wir von Akihabara überfordert, inzwischen kennen wir uns ein wenig aus. Zu unseren Favoriten gehören das Geschäft des Spielwarenherstellers Kotobukiya, sowie K-Books im Radio Kaikan Gebäude.

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Der Eingang des Einkaufszentrums Radio Kaikan

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Akihabara - Spielzeug ohne Ende

Eine große Auswahl an aktueller japanischer Musik gibts es bei Mulan. Gundam-Bausätze findet man in der Spielwarenabteilung des Einkaufszentrums Yodobashi und im Tamtam Hobby Shop, der sich ebenfalls auf Modelbausätze spezialisiert hat. Auch außerhalb Japans bekannt ist Super Potato, ein Geschäft für klassische Videospiele und Konsolen.

Für Besucher, die nur die Neugierde nach Akihabara treibt, ist der Sonntagnachmittag eine gute Zeit, denn dann wird die Hauptverkehrsstraße, die Chuo Dori, für den Autoverkehr gesperrt. Angeblich sind zu dieser Zeit vermehrt Cosplayer in Akihabara unterwegs, was ich persönlich bisher nicht bestätigen kann. Ebenfalls sehenswert ist Akihabara in den Abendstunden, wenn die Geschäfte ihre Reklamebeleuchtungen einschalten. Dann entsteht das typische Bild, dass wir in Europa oft mit asiatischen Großstädten verbinden. Akihabara ist dann unübersehbar der Electric Town.

Akihabara Station

Den Namen Electric Town trägt auch einer der Ausgänge der Akihabara Station. Der Bahnhof ist ein Kreuzungspunkt mehrere Metro-Strecken und einer der wenigen Stationen, in denen wir uns verlaufen haben. Und das mehrfach! Es ist immer eine gute Idee, sich den Weg zu merken, auf dem man den Bahnhof verlassen hat, um später auf genau diesem Weg zurückzukehren. Abhängig von der Metro-Linie, mit der man angekommen ist, gibt es verschiedene Ausgänge. Gescheitert sind wir bei dem Vorhaben, den Bahnhof als Fußgänger zu durchqueren, was uns einige Probleme bescherte. Ein Checkout aus dem Abrechnungssystem der Metro, ohne zuvor mit einer Bahn gefahren zu sein, ist scheinbar nicht vorgesehen. Die Schranken habe sich nicht für uns geöffnet. Zum Glück gab es hilfsbereites Servicepersonal und am Ende standen wir wieder vor dem Ausgang des Bahnhofes. Eine Alternative zur Akihabara Station bietet der kleine Bahnhof Suehirocho, der am nördlichen Ende es Stadtteiles, an der Chuo Dori, liegt. Reisende auf der Shinjuku-Line sollten am Bahnhof Iwamotocho aussteigen und die restlichen 200 Meter nach Akihabara zu Fuß zurücklegen.

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Der Vorplatz der Akihabara Station - Electric Town Exit

AKB48

Es mag für Europäer merkwürdig klingen, aber Akihabara ist ein Stadtteil mit einer eigenen Pop-Gruppe. Die ausschließlich aus jungen Mädchen bestehende Gruppe AKB48 ist in Japan sehr beliebt und veröffentlich in regelmäßigen Abständen Lieder, die in den Hitlisten landen. Die Zahl 48 war die ursprünglich angestrebte Anzahl von Mitgliedern der Gruppe. Inzwischen ist es aber schwer, die genau Anzahl zu ermitteln. Die Gruppe ist mittlerweile unterteilt in mehrere Teams und es gibt Schwestergruppen in anderen Großstädten. Sogar im asiatischen Ausland.

Eine einfache Erklärung für die japanische Idol-Kultur gibt es nicht und obwohl ich mich ein wenig mit dem Thema beschäftige, habe ich es nicht ansatzweise durchschaut. Ein Idol soll, wie der Name suggeriert, ein Vorbild sein. Ein Großteil der Anhänger von AKB48 und ähnlichen Gruppen sind aber keine Mädchen, sondern Männer in allen Altersgruppen. Ob das von Anfang an so geplant war, ist nicht auszuschließen, aber die Rechnung scheint aufzugehen. Die großen Konzerte von AKB48 sind meistens ausverkauft und die Mädchen bieten eine beeindruckende Show, obwohl sie keine Instrumente spielen und nur singen und tanzen. Persönlich konnten wir das bisher zwar nicht erleben, aber es gibt ein reichhaltiges Angebot an Konzertvideos, die man in Akihabara in viele Geschäften kaufen kann.

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Das Don Quijote Einkaufszentrum mit dem AKB48 Theater

An der Chuo Dori, im obersten Stockwerk eines Don Quijote Geschäftes, liegt das AKB48 Theater, in dem die Gruppe angeblich auftritt. Bestätigen konnten wir das bisher leider nicht, denn unsere Bemühungen, Tickets für das Theater zu bekommen, waren erfolglos. Die Gruppe ist beliebt und das Theater klein. Weniger problematisch war der Zugang zum AKB48 Cafe, dass nur wenige Schritte entfernt vom Electric Town Ausgang der Metro-Station lag. Dort gab es, neben dem Cafe, auch ein Geschäft, in dem Fanartikel der Gruppe angeboten wurden. Beispielsweise Fotos oder Schlüsselanhänger. Kostüme der Gruppe wurden dort auch gelegentlich ausgestellt. Leider wurde im November 2019 überraschend das Ende des Cafes verkündet. Nach Aussagen des Betreibers wegen anstehender Baumaßnahmen der angrenzenden Metro. Im Sommer 2020 hat das angrenzende Gundam Cafe den Platz übernommen und so seine Geschäftsräume vergrößert.

Maid Cafes

Neben der Idol-Kulur sind die japanischen Maid Cafes eine andere Besonderheit, die nur schwer zu erklären ist. In diesen Cafes tragen die Kellnerinnen Dienstmädchenkostümen und auch als Gast erhält man eine sehr spezielle Behandlung. Fast so, als wären die Maids Bedienstete in einem Privathaushalt. Nicht selten wird man als Gast in einem Maid Cafe mit einem Titel, beispielsweise »Master«, angeredet.

Wir haben bei unseren Besuchen in Akihabara nur ein Mal ein Maid Cafe aufgesucht und können diese Art des Vergnügens vermutlich nicht objektiv beurteilen. Es war für uns eine ernüchternde Erfahrung. Zwar geben sich die Frauen große Mühe, die Gäste zu zu unterhalten, aber irgendwie war die Situation für uns befremdlich. Vielleicht lag es an der Sprachbarriere und an dem Unterschied der Kulturen. In Deutschland sind wir es nicht gewohnt, dass unsere Kellnerinnen singen und tanzen. Berichten zur Folge besuchen manche Japaner jedoch mehrmals in der Woche Maid Cafes. Aber das werden Ausnahmen sein.

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Mittagessen in einem Maid Cafe

Nach unseren Erfahrungen ist ein Maid Cafe ist kein Restaurant, dass man aufsuchen sollte, wenn man tatsächlich Hunger hat. Es ist ein Ort zur Unterhaltung. Die Gerichte, die wir probiert haben, waren von durchschnittlicher Qualität, aber ungewöhnlich teuer. Das haben wir in dieser Kombination an keinen anderen Ort in Tokio erlebt. In normalen Restaurants wird das Personal jedoch nicht mit dem Ketchup eine Katze oder einen Panda auf den Teller zeichnen oder beim Servieren des Gerichtes einen Zauberspruch zitieren.

Neben den typischen Maid Cafes sind Orte, an denen man Zeit mit Tieren verbringen kann, in Tokio sehr beliebt. Das kann man, mit etwas gutem Willen, vielleicht nachvollziehen. Wohnungen in Tokio sind klein und die Arbeitszeiten lang. Für einen eigenen Hund oder eine Katze bleibt wenig Zeit und Platz. Wer zwischendurch mit einem Kätzchen oder einem Welpen spielen möchte, besucht eines der zahllosen Tier Cafes.

Wir haben in Akihabara ein Cafe besucht, dass Eulen als Thema hatte. Diese Tiere waren selbstverständlich nicht zum Spielen geeignet und den Begriff Cafe müsste man für dieses Geschäft großzügig auslegen. Wenn ich mich richtig erinnere, konnte wir uns ein kostenloses Getränk aus einem Automaten ziehen. Es war ein kleiner Zoo, aber die Vögel waren sehr beeindruckend. Als Stadtmenschen hatten wir nur eine wage Vorstellung davon, wie groß eine Eule werden kann. Bei einigen Exemplaren geht man besser auf Abstand. Glücklicherweise schliefen die meisten Vögel bei unserem Besuch. In den Abendstunden werden einige der Eulen angeblich in den Straßen von Akihabara zum Fliegen freigelassen.

Das Maid Cafe und das Eulen Cafe befanden sich in der oberen Stockwerken von Gebäuden und beide hätte wir ohne fremde Hilfe nicht gefunden. Hilfe gibt es allerdings genug, diese Art von Geschäften haben ständig Mitarbeiter auf den Straßen, die dort auf Kundenfang gehen. Besonders am Abend sieht man in Akihabara viele Maids.

Ob das Leben einer Maid ein glückliches Leben ist, darüber gibt es widersprüchliche Berichte. Einige der Frauen haben zweifellos Spaß an ihrer Arbeit, andere machen diesen Job nur, weil sie nichts anderes finden konnten. Trotzdem sind Maid Cafes inzwischen ein Bestandteil der modernen Kultur, zumindest in den Großstädten. Der Japaner sucht nach Möglichkeiten, dem oftmals stressigem Alltag zu entrinnen und betritt dabei auch Wege, die uns Europäern fremd sind. Unter anderem Karaoke oder eben Maid Cafes.

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Zu Gast im Eulen Cafe


Geschrieben am: 17.08.2020
Tags: Japan, Tokio, Reisen, Asien