Ein regnerischer Tag in Tokio ist ideal für einen Ausflug in den Bezirk Nakano. Oder, genauer gesagt, in das komplett überdachte Einkaufszentrum Nakano Broadway, das dort nur Schritte vom Bahnhof entfernt liegt. Ähnlich wie in Akihabara gibt es im Nakano Broadway zahllose Artikel der aktuellen Popkultur. Comics, Spielzeug, Trading Cards, Gatchapon-Automaten und vieles mehr. Nakano Broadway ist allerdings nicht ein großes Geschäft, sondern viele kleine Läden, von denen einige nur wenige Quadratmeter groß sind. Zusätzlich findet man dort die üblichen Geschäfte für Elektroartikel, Süßigkeiten, Spielhallen, Schmuck oder Bekleidung. Außerdem einige Restaurants. Alle Ladenlokale haben individuelle Öffnungszeiten. Bei einem Besuch am Morgen kann es passieren, dass einige Geschäfte noch geschlossen sind, während nur Meter entfernt bereits Kunden bedient werden. Nach unseren Erfahrungen lohnt es nicht, Nakano Broadway vor 12 Uhr mittags zu besuchen.
Der Eingang zum Einkaufszentrum Nakano Broadway
Einer der unzähligen Geschäfte für japanische Manga Comics
Trotz der vergleichbaren Angebote unterscheidet sich Nakano Broadway in einem Punkt von Akiharaba. In dem Einkaufszentrum gibt es viele alte Artikel, teilweise sogar Antiquitäten, die man an anderen Orten in Tokio nur schwer findet. Besonders die kleinen Läden verbergen oft Schätze, die gefunden werden wollen. Gut in Erinnerung geblieben ist mir ein Ladenlokal, in dem originale Folien, so genannte Animation Cells, aus der Produktion des Anime »Heidi« angeboten wurden. Zweifellos ein sehr alter Artikel. Als diese Serie 1977 in Deutschland lief, kannte niemand den Begriff Anime und wir nannten solche Serien noch »Zeichentrick«. Nicht auslassen sollte man einen Besuch in dem Geschäft der Comicbuchhandlung Mandarake, selbst dann, wenn man keine japanischen Comics liest. Die angebotene Vielfalt an Heften ist atemberaubend. Überraschend für mich war das Geschäft Shop Mechano, das auf elektronische Musik aus Deutschland spezialisiert ist. Der umfangreiche Katalog der deutschen Gruppen »Kraftwerk«, »Tangerine Dream« und »La Düsseldorf« wurde dort angeboten. Auch auf Schallplatten!
Überregionale Berühmtheit erlangte Nakano Broadway durch das Softeis, das im Geschäft von Daily Chico’s angeboten wird. Bemerkenswert ist dabei nicht der Geschmack, sondern die Menge an Eis, die man dort bekommen kann. Wer sich der Herausforderung stellen möchte, kann Eis mit bis zu acht verschiedenen Geschmacksrichtungen in einer Waffel balancieren. Das Geschäft von Daily Chico’s befindet im ersten Untergeschoss des Einkaufszentrums, neben einem großen Lebensmittelmarkt. Wer dort eine Eisdiele nach europäischem Vorbild erwartet, wird enttäuscht. Daily Chico’s ist nur eine Theke von einigem Metern Länge und nicht besonders imposant. Trotzdem lohnt ein Besuch, denn Erinnerungsfotos mit einem Eis von Daily Chico's sind beeindruckend. Im Supermarkt nebenan findet der Japaner alles, was er zum Leben benötigt. Wenn es sein soll, auch einen kompletten Oktopus.
Eis in allen Größen gibt es bei Daily Chico's im Untergeschoß
Bei unserem zweiten Besuch im Nakano Broadway entdecken wir ein Geschäft mit dem Namen Trio. Es erwies sich als eine Schatzkammer für Fans japanischer Pop und Rock Musik. Musik, in Form von CDs oder DVDs wird dort zwar wenig angeboten, die Auswahl an Fanartikeln ist aber gigantisch. Fotobücher, Poster und alte Musikzeitschriften füllen die Regale. Nicht Alles ist neu, aber Vieles selten. Leider vermittelt das Geschäft den Eindruck, die Größe des Ladenlokals könnte mit der Menge an Waren nicht mehr mithalten. Die Gänge sind eng und bei unserem Besuch standen einige Kisten mit unsortierten Artikeln lieblos in den Ecken. Sie alle durchzusehen ist keine leichte Aufgabe, aber das Ergebnis kann lohnen. Teilweise findet man im Geschäft sogar Artikel, die nicht für den freien Verkauf bestimmt waren. Zum Beispiel Zeitschriften von Fanclubs oder Erinnerungsstücke, die nur im Umfeld von Konzerten angeboten wurden. Vermutlich handelt es sich dabei um Restposten, oder sie wurden professionell aus zweiter Hand angekauft. Ich fand im Trio einige alte Fotobücher der Band Scandal, die seit vielen Jahren als vergriffen gelten.
Der Stadtteil Nakano liegt am westlichen Ende der Tozai Metro-Linie und somit am linken Rand der typischen Tokio-U-Bahn-Karte. Der Bahnhof ist die Endstation der Linie mit der Nummer T01. Bei unserer Fahrt zurück sind wir versehentlich in eine Bahn gestiegen, die in die falsche Richtung fuhr und unerwartet befanden wir uns noch weiter westlich und außerhalb unserer Karte. Das Gefühl, dass uns dort überkam, war ein klein wenig vergleichbar mit der Angst der alten Seefahrer, vom Rand der Welt zu fallen. Wir hatten keine Ahnung, wo wir waren. Zum Glück fahren die Züge in Tokio regelmäßig. Wir mussten nur an der nächsten Station aussteigen und in einen Zug der Gegenrichtung einsteigen. Wie man mir sagte, werden solche »Irrfahrten« mit der Metro nicht berechnet. Bezahlt werden muss nur die Strecke, zwischen der Station bei der man eincheckt, und der Station an dem man das System verlässt.
Eine Fundgrube für altes Spielzeug
Geschrieben am: 05.11.2020 Tags: Japan, Tokio, Reisen, Asien