In Tokio liegen alt und neu, Vergangenes und Gegenwart, nah zusammen. Tempel befinden sich nur Schritte entfernt von Einkaufszentren und traditionelle Restaurants empfangen ihre Gäste in direkter Nachbarschaft zur modernen Fast-Food-Gastronomie. Gut sichtbar ist dieser Gegensatz im Stadtteil Asakusa. Vor dem Zweiten Weltkrieg als Unterhaltungsbezirk für Kabuki- und Rakugo-Theater bekannt, hat sich der Stadtteil gewandelt. Inzwischen gibt es dort Fußgängerzonen mit Einkaufsstraßen und Karaoke-Bars. Das moderne Tokio ist nicht zu übersehen. Trotzdem haben Traditionen in Asakusa noch immer einen hohen Stellenwert.
Überregional bekannt ist Asakusa für den Sensō-ji, den ältesten und bedeutendsten buddhistischen Tempel in Tokio und den in direkter Nachbarschaft befindlichen Asakusa-Schrein. Für mich als Laie war es bei meinem ersten Besuch nicht zu erkennen, dass ich es hier mit zwei verschiedenen Religionen zu tun hatte. Die Gebäude liegen nah zusammen und waren für mich als Europäer beide gleichermaßen fremd. Inzwischen habe ich gelernt und weiß, dass der Asakusa-Schrein fast 1000 Jahre jünger ist. Zu meiner Entschuldigung sollte ich erwähnen, dass wir den Sensō-ji nur zufällig entdeckt haben. Der Besuch von Tempeln stand bei unserer ersten Reise nach Japan nicht hoch auf der Liste.
Besinnliche Ruhe wie in europäischen Kirchen wird ein Besucher der Tempelanlagen in Asakusa nur am frühen Morgen und in der Nacht finden. Schrein und Tempel sind ein beliebtes Ziel für Ausflüge und das nicht nur für ausländische Touristen. Auch Japaner besuchen den Ort gerne und nehmen den Ausflug oft zum Anlass, sich traditionell zu kleiden. Das scheint, nach unseren Beobachtungen, besonders bei jungen Paaren der Fall zu sein. Besucher, die keinen Kimono besitzen, haben in mehreren Geschäften die Möglichkeit, die passende Bekleidung zu kaufen oder zu mieten. Falls man das Gelände aus südlicher Richtung betritt, führt der Weg in der Regel durch die Nakamise Shopping Street. Eine Ansammlung vieler kleiner Läden für Street-Food und Souvenirs.
Bei Tag und bei Nacht einen Besuch wert: Die Tempelanlagen von Asakusa
Ein Tag in Asakusa kann anstrengend sein. Zum Glück gibt in der Nähe der Tempel zahllos Restaurants, in denen man sich stärken kann. Die größeren Betriebe beschäftigen sogar Personal, das vor den Geschäften auf Kundenfang geht und die Gerichte anpreist. In diesem Punkt unterscheidet sich Tokio nicht von anderen Touristenzentren. Wird man auf der Straße in Englisch angesprochen, sollte man davon ausgehen, eine englische Speisekarte zu bekommen. Das macht die Bestellung einfacher. Beliebt bei uns ist frittiertes Huhn. Das scheint es in Tokio, in verschiedenen Variationen, überall zu geben.
Einige Geschäfte in Asakusa verdienen die Bezeichnung Restaurant nur mit gutem Willen, sind sie oft nicht mehr als ein Grill und ein paar Tische in der Fußgängerzone. Gutes Essen bekommt man dort trotzdem serviert, das sollte man nicht unterschätzen. Nur die Kommunikation mit dem Personal war für uns manchmal schwierig, aber gerade deshalb für beide Parteien ein großer Spaß. Besonders die kleinen Restaurants erwiesen sich als gute Orte, um mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen.
Obwohl es sich nur um Kaufhäuser handelt, sind die Läden der Gruppe Don Quijote immer einen Besuch wert. Besonders in Asakusa ist das Geschäft ein gutes Beispiel für die japanische Lebensweise in Tokio. Das Don Quijote ist 24 Stunden geöffnet und bietet auf vier Etagen ein großes Angebot an Lebensmitteln, Elektroartikeln, Spielzeugen, Koffern, Drogerieartikeln, Cosplay-Kostümen und vielem mehr. Bemerkenswert ist dabei die Dichte, mit der die Ware angeboten werden. Die Wege zwischen den Regalen sind eng und in den Regalen wird jeder freie Platz ausgenutzt. Einen Artikel, denn es im Don Quijote nicht gibt, wird man auch an anderen Orten in Tokio nur schwer finden. Die Japaner nennen die Geschäfte oft verkürzt »Donki«.
Ein weltliches Paradies für jeden Koch befindet sich nur wenige Querstraßen westlich der Tempelanlagen. Dort verläuft in Nord-Süd-Richtung die Einkaufsstraße Kappabashi Dōgu-gai. Die Geschäfte dort bieten alle Produkte für eine perfekte Küchenausstattung. Angefangen bei einzelnen Essstäbchen und Tellern bis hin zu Kühlschränken, Öfen und Töpfen in allen Größen und Formen. Vermutlich könnte man die komplette Einrichtung für ein Restaurant in der Kappabashi Dōgu-gai bekommen. Vorlagen für Schilder und Speisekarten haben wir ebenfalls gesehen.
Echte Lebensmittel werden in der Straße nur wenige angeboten, allerdings ist Kappabashi Dōgu-gai ein guter Ort, um lebensechte Speisen aus Kunststoff zu erwerben. Genau die Lebensmittelattrappen, Shokuhin Sanpuru genannt, die viele japanische Restaurants in ihren Auslagen präsentieren. Wenn man ein originelles aber typisches Andenken aus Tokio sucht, ist es eine gute Idee, sich dort umzusehen. Viele der Imitate sind von echten zubereiteten Gerichten auf den ersten und zweiten Blick nicht zu unterscheiden. Günstig sind diese Artikel in der Regel nicht, aber manche Geschäfte verkaufen vereinzelt Restposten.
Was in der Kappabashi Street lebensecht und lecker aussieht, ist oftmals leider nur aus Kunststoff
Asahi Beer Hall und Beer Tower am Ufer des Sumida
Am Ostufer des Flusses Sumida liegen unübersehbar die zwei Gebäude des Hauptsitzes des Bierkonzerns Asahi. Die von Philippe Starck gestaltete Asahi Beer Hall ist eines der bekanntesten Gebäude im modernen Tokio, was vor allem an der riesigen goldenen Flamme liegen wird, die der Designer auf dem Dach platziert hat. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Flamme handelt, dazu hat jeder Japaner seine eigene Meinung. Eine andere Bezeichnung der Einheimischen ist »Kin no unko«, die goldene Kacke.
Etwas weniger Fantasie erfordert das zweite Gebäude, der Beer Tower, der mit seinen goldenen Fenstern einem Glas Bier mit einer Schaumkrone nachempfunden sein soll. Erwähnenswert ist das Restaurant im obersten Stockwerk, denn es bietet einen großartigen Ausblick auf den Fluß Sumida, den Skytree und die Tempelanlagen von Asakusa. Das Restaurant ist nicht groß, die Auswahl an Gerichten ist eingeschränkt und wie nicht anders zu erwarten, wird dort ausschließlich Bier von der Brauerei Asahi angeboten. Wir haben bei unserem Besuch einige Sorten ausprobiert und dabei beobachtet, wie die Sonne über der Stadt unterging. Mit einem Platz am Fenster Richtung Westen ist das Restaurant im Beer Tower ein guter Ort, um einen Tag in Asakusa ausklingen zu lassen.
Wenige Kilometer südlich von Asakusa liegt der wenig aufregende Stadtteil Asakusabashi. Dort gibt es die in Tokio übliche Mischung aus Geschäften und Wohngebäuden, aufgelockert mit einigen Restaurants. Für Touristen hat Asakusabashi wenig Sehenswertes zu bieten, allerdings steht der Stadtteil in dem Ruf, für Reisende günstige Unterkünfte zu bieten. Das könnte stimmen, denn auch wir hatten bei unserem ersten Urlaub in Japan dort eine AirBnB-Wohnung. Sie war im achten Stock eines Wohnhauses, direkt an einer mehrspurigen Kreuzung. Das klingt wenig nach Urlaub, aber wir gewöhnten uns schnell an die Unterkunft. Der Straßenverkehr war überwiegend leise und der winzige Balkon bot einen direkten Blick auf den Skytree. Das war bei Tag und bei Nacht eine sehenswerte Skyline und für uns ein eindeutiges Indiz, in Tokio angekommen zu sein.
Unabhängig von den Kosten ist die Lage von Asakusabashi ein weiterer Grund, dort eine Unterkunft zu suchen. Die Stadtteile Asakusa und Akihabara können mit geringen Anstrengungen zu Fuß erreicht werden und die beiden U-Bahn-Stationen Asakusabashi und Kuramae sind ebenfalls nicht weit entfernt. Im Osten wird Asakusabashi durch den Fluß Sumida eingegrenzt. An einem sonnigen Tag ist eine Wanderung am Ostufer nach Norden ideal für einen entspannten Ausflug nach Asakusa. Ein ruhiger Fußweg nach Akihabara führt vom Bahnhof Asakusabashi entlang an der erhöht verlaufenden Bahnstrecke der Sōbu-Hauptlinie.
Einige kleine Geschäfte findet man entlang der Sōbu-Bahnstrecke
Geschrieben am: 05.05.2020 Tags: Japan, Tokio, Reisen, Asien